Empfängnis

Das Eiweiß ist immer auf dem Weg ins Chaotische, um die dem Unorganischen entsprechende Form aufzulösen und die Materie ins Chaos überzuführen; und am stärksten ins Chaos übergeführt ist diejenige Materie, die in der befruchteten Eizelle vorliegt. Das ist einfach ins Chaotische getriebene Materie. Mit diesem Chaos kann überhaupt die gesamte irdische Naturgesetzlichkeit nichts mehr anfangen, die ist ausgeschaltet. Eiweiß geworden sein auf irgendeiner Stufe bedeutet: ausgeschaltet sein von der irdischen Naturgesetzlichkeit. Und was ist die Folge? Daß die außerirdische Naturgesetzlichkeit, die Konstellation der Planeten, die ganze außerirdische Welt anfängt, auf dieses Chaos zu wirken, um diesem Chaos nun eine Konstitution erst wiederum zu geben. Dadurch, daß in der Überführung in Eiweiß die Materie ins Chaos kommt, wird die Materie wiederum bereit zu empfangen; nicht nur vom Irdischen zu empfangen, sondern aus dem ganzen Weltall, vom Kosmischen herein ihre Konstitution zu empfangen. Und darin besteht die Nachbildung des menschlichen Hauptes, das ja das Himmelsgewölbe nachbildet. [1]

Eigentlich haben wir in unserem ganzen Menschenleben, insofern wir es im physischen Leibe verbringen, nur einen einzigen Vorgang, der durchaus zusammenhängt mit dem Erdenleben. Sonst nichts im menschlichen Leben als die Empfängnis hat im Grunde etwas zu tun mit dem Erdenleben unmittelbar, ausschließlich. Dasjenige, was geschieht bei der Empfängnis, hat nichts zu tun mit dem Monden-, Sonnen- und Saturnleben; sondern zu dem, was durch die Empfängnis geschieht, sind die Ursachen geschaffen innerhalb des Erdenlebens. Es geht die physisch-wissenschaftliche Betrachtung, wenn sie die Vorgänge im Menschen betrachtet, gewöhnlich zurück bis zu den einfachsten Zellenwesen. Solche Zellenwesen, von deren Gestalt ja auch der Mensch ausgeht – er entwickelt sich ja aus der befruchteten Eizelle –, solche Zellenwesen hat es aber wirklich auf dem alten Saturn, der alten Sonne und dem alten Monde nicht gegeben. Diese finden sich nur auf der Erde, und auf der Erde findet eine solche Vereinigung von Zellen statt, auf die ein so großer Wert gelegt wird von der äußeren Wissenschaft. Diese besondere Stufe unseres Lebens ist nun nichts anderes als die Spiegelung eines wirklichen realen Vorganges, der vor der Empfängnis sich schon abspielt und der mit dem menschlichen Leben zusammenhängt. Der wirkliche Vorgang spielt sich in der geistigen Welt ab, und dasjenige, was sich in der physischen Welt abspielt, ist ein Spiegelbild, eine Maya. Dasjenige aber, was in der geistigen Welt sich abspielt ist ein Vorgang, der sich abspielt zwischen der Sonne und der Erde, und zwar so, daß das weibliche Element dabei die Beeinflussung von der Sonne her, das männliche Element die Beeinflussung von der Erde her erfährt. Also es ist der Vorgang der Empfängnis die Spiegelung eines Zusammenwirkens von der Sonne und der Erde. Dadurch allerdings wird dieser Vorgang, den die Menschen oftmals in ein die Menschheit so erniedrigendes Reich herunterdrücken, zu dem bedeutsamen Mysterium, zu der Spiegelung eines kosmischen Weltenvorganges. Derjenige, der zur Geburt schreitet erhält von dem, was auf der Erde physisch vorhanden ist, ein Bild, hauptsächlich zunächst von der Mutter. Von dem Vater erhält er ein Bild dadurch, daß die Mutter von dem Vater ein Bild in ihrer Seele trägt. Allerdings dann, wenn es sich handelt, daß die geistig-seelische Erbschaft von des Vaters Seite her eine besondere Rolle zu spielen hat, daß also besondere geistig-seelische Eigenschaften von dem Vater auf den Menschen, der geboren werden soll, übertragen werden sollen, auch ein direktes Bild des Vaters zustande kommen kann. In demselben Maße aber, wie das Bild des Vaters direkt zur Wahrnehmung kommt, schwächt sich das Bild der Mutter ab. [2]

Zitate:

[1]  GA 342, Seite 107   (Ausgabe 1993, 164 Seiten)
[2]  GA 161, Seite 68ff   (Ausgabe 1980, 292 Seiten)

Quellen:

GA 161:  Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung (1915)
GA 342:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, I. Anthroposophische Grundlagen für ein erneuertes christlich-religiöses Wirken (1921)