Elementarwesen des Flüssigen

Wenn man, sagen wir, an einem Tag, wo die Witterungsverhältnisse sich jeden Augenblick ändern, wo beispielsweise Wolken sich bilden, aus den Wolken der Regen herunterfällt, wo vielleicht auch, von der Erdoberfläche ausgehend, wiederum Nebel sich aufwärts heben – wenn man an einem solchen Tag sich diesen Erscheinungen so hingibt, daß man einen moralischen Eindruck an die Stelle des physischen treten läßt, dann kann man ein bestimmtes Erlebnis haben. Besonders geeignet ist es, wenn man sich dem eigentümlichen Spiel hingibt, sagen wir, einer in einem Wasserfall sich zerstäubenden, sich überschlagenden Wassermasse; wenn man sich hingibt den sich bildenden, sich auflösenden Nebeln und dem Wasserdunst, der die Luft erfüllt und rauchförmig nach oben geht, oder wenn man einen feinen Regen nach unten strömen sieht oder auch ein leises Rieseln durch die Luft gehen fühlt. Wenn man all dem gegenüber moralisch empfindet, so ergibt das die (Elementarwesen des Flüssigen). Diesen Wesenheiten gegenüber möchten wir das Wort Metamorphose, Verwandlung anwenden. Solche sich immer verwandelnden Wesenheiten, deren Symbol wir für die Imagination höchstens finden können in den sich verwandelnden Wolkengebilden, sie erscheinen uns als die zweite Klasse von (elementarischen) Wesenheiten. Aber wir machen noch auf eine andere Weise als Okkultisten Bekanntschaft gerade mit diesen Wesenheiten. Wenn wir Pflanzen betrachten, wie sie zur Frühlingszeit aus der Erde herauskommen – wohlgemerkt, wenn sie die ersten grünen Sprossen heraustreiben, nicht später, wenn sie sich schon anschicken, Früchte zu tragen –, dann fühlt der okkulte Blick, daß dieselben Wesenheiten, die er entdeckt hat in den zerstäubenden Wassermassen, umspülen die Pflanzenknospen. Der Okkultist erkennt um den jungen Pflanzensproß herum sich metamorphosierende Wesenheiten, die von oben nach unten wirkend die Pflanzen herausholen aus dem Boden. [1]

In alldem, was nun im Blatte tätig ist wirken Elementargeister des wäßrigen Elementes, welche eine ältere instinktive Hellseherkunst zum Beispiel Undinen genannt hat. Diese Undinenwesen sind anders ihrer inneren Natur nach als die Gnomen (siehe: Elementarwesen des Festen). Sie können sich nicht wie ein geistiges Sinnesorgan hinauswenden an das Weltenall. Sie träumen eigentlich fortwährend, diese Undinen, aber ihr Träumen ist zu gleicher Zeit ihre eigene Gestalt. Sie hassen nicht so stark die Erde wie die Gnomen, aber sie sind sehr sensitiv gegen das Irdische. Sie leben im ätherischen Element des Wassers, durchschwimmen und durchschweben es. Und sie sind sehr sensitiv gegen alles, was Fisch ist, denn es droht ihnen die Fischgestalt, die sie auch zuweilen annehmen, aber gleich wiederum verlassen, um in eine andere Metamorphose überzugehen. Und im Träumen ihres eigenen Daseins binden sie und lösen sie, binden sie und trennen sie die Stoffe der Luft, die sie auf geheimnisvolle Art in die Blätter hineinbringen und herantragen an dasjenige, was die Gnomen nach aufwärts gestoßen haben. Und dieser Traum in dem die Pflanzen leben, in den die Pflanze hineinwächst, wenn sie nach aufwärts den Boden verläßt, dieser Undinentraum ist der Weltenchemiker, der die geheimnisvolle Verbindung und Lösung der Stoffe, vom Blatte ausgehend, in der Pflanze bewirkt. Es ist eine Geistigkeit, die eigentlich ihr Element da hat, wo Wasser und Luft sich berühren. Die Undinen leben ganz im feuchten Elemente; aber ihr eigentliches inneres Wohlgefallen haben sie, wenn sie irgendwo an eine Oberfläche, wenn auch nur an die Oberfläche eines Tropfens oder sonst irgendeines Wäßrigen kommen. [2] In der Pflanze pflegen sie den chemischen Äther. [3]

Diese Undinen stehen auch in Beziehung als ergänzende Wesen zu den Tieren, welche schon auf einer etwas höheren Stufe stehen, zu den Tieren, welche schon einen mehr differenzierten Erdenleib aufgenommen haben. Diese Tiere, die dann in das höhere Fischwesen hineinwachsen oder auch in das höhere Amphibienwesen, brauchen Schuppen, brauchen irgendeinen harten Panzer. Sie brauchen außen eine harte Schale. Das, was an Kräften vorhanden ist, um diese Außenstütze, gewissermaßen dieses Außenskelett, gewissen Tieren, wie den Insekten, zu verschaffen, das verdankt die Welt der Tätigkeit der Undinen. Im Sensitivwerden, im Vermeiden des eigenen niederen Tierwerdens stoßen die Undinen das von sich ab, was dann als Schuppen oder sonstige Panzer über die etwas höheren Tiere kommt. [4]

Die Undinen werden im tiefen Schlafe sichtbar. Der Schlaf löscht das gewöhnliche Bewußtsein aus, (aber) das für den Schlaf erhellte Bewußtsein hat diese wunderbare Welt des werdenden Flüssigen, des sich in aller möglichen Weise zu den Metamorphosen der Undinen aufbäumenden Flüssigen zum Inhalte. Der ganz tiefe Schlaf ist eigentlich ausgefüllt davon, daß in der Umgebung des Menschen ein bewegtes Meer von Lebewesen ist, ein bewegtes Meer von Undinen ist. [5]

Hier in der physischen Erde will alles leben, und man schätzt eigentlich alles, was Lebenskraft in sich hat. Kommt man da hinüber dann sagen einem alle diese (elementaren) Wesenheiten: das Sterben, das ist eigentlich erst der richtige Anfang des Lebens. Und das können diese Wesenheiten auch empfinden. Sie wissen ja vielleicht, daß, sagen wir Schiffer, die viel auf dem Meere fahren, finden, daß das Meer so einen eigentümlichen Eindruck macht, auf der Ostsee im Juli, August, September, weiter nach Westen hinüber schon im Juni, und daß diese Leute sagen: das Meer beginnt zu blühen. Es schlägt aus gewissermaßen; aber es schlägt aus von alledem, was im Meer verwest. Es gibt dem Meere einen eigentümlichen fauligen Geruch. Aber das ist alles anders für die Undinen. Sie empfinden dabei nichts Unangenehmes, sondern wenn diese Millionen und Millionen von Wassertieren, die da verwesen im Meere, in die Zerstörung hineinkommen, dann wird das Meer für die Undinen, ein in den wunderbarsten phosphoreszierenden Farbenspielen erglänzendes. Und man sieht dann die Undinen, wie sie in diesem Farbenspiele des Meeres selber diese Farben in sich aufnehmen. Indem sie selber phosphoreszierend werden, entsteht in ihnen etwas wie eine ungeheure Sehnsucht, nach oben zu gehen, nach oben zu schweben. Und sie bieten sich mit dieser Sehnsucht den Wesenheiten der höheren Hierarchien, den Angeloi, Archangeloi und so weiter als die Erdennahrung an; sie finden darin ihre Seligkeit. Sie leben dann in den höheren Hierarchien drinnen weiter. Da leben sie dann weiter, da gehen sie dann gewissermaßen in ihre Ewigkeit ein. So ist eigentlich in jedem Jahre ein fortwährendes Aufströmen von diesen Wesenheiten. [6] Die Undinen stehen unter den Geistern des Willens, Throne. [7] Während mit unserem Verstande ähnlich sind die Elementarwesen des Festen, sind mehr unserem Gefühl ähnlich die Elementarwesen, die im Flüssigen leben. Wir stehen ja mit unseren Empfindungen außerhalb der Dinge. Der schöne Baum ist draußen, ich stehe hier, ich bin von ihm getrennt; ich lasse das, was er ist, in mich einfließen. Das, was an Elementarwesen im Flüssigen ist, durchströmt den Baum in seinem Safte selber. Es strömt hinein mit seiner Empfindung in jedes Blatt. Es empfindet nicht nur von außen das Rot, das Blau, es erlebt innerlich diese Farbe, es trägt seine Empfindungen in alles Innerliche hinein. Dadurch ist wiederum das Empfindungsleben viel intensiver, als das sehr intensive Verstandesweben bei den Elementarwesen des Festen. [8] Das Licht steigt in die Pflanzen hinein, um sich in ihnen zu verwandeln, um in ihnen wiedergeboren zu werden (zu Elementarwesen der Luft. In die Tiere steigt der chemische Äther hinein, den der Mensch nicht wahrnehmen kann; er würde geistig tönen, wenn der Mensch ihn wahrnehmen könnte (siehe: Sphärenmusik). Und die Tiere verwandeln diesen Äther in Wassergeister. [9]

Im Verlaufe des 20.. Jahrhunderts werden die Menschen anfangen, ihre schlummernden Organe zu entwickeln und durch diese wird sich ihnen zunächst dasjenige offenbaren, was unmittelbar über der physisch-sinnlichen Welt gelegen ist, was sich uns durch die Natur ankündigt. Man wird sich zum Beispiel am Meer befinden oder sonst irgendwo in der Nähe von Wasser; dann wird man sich das Wasser anschauen und es nicht mehr nur äußerlich beschreiben als eine Zusammensetzung von Wasserstoff und Sauerstoff, sondern man wird die Natur des Wassers ganz anders empfinden. Man wird in ihm erkennen eine riesige Summe von Elementarwesen, die das Wasser durchdringen und im Grunde das Wasser sind. Denn das Wasser ist der Schauplatz, das Seelenelement dieser Elementarwesen. Diese Elementarwesen haben ihr Dasein im Wasser und sie vergehen auch wiederum in ihm, nämlich wenn ein anderes Element, das «Feuer» dazutritt. Die Wärme bewirkt einen Austrocknungsprozeß. Bei diesem Vorgang bemerkt der Hellseher, wie die Elementarwesen wie abgelähmt, ja gleichsam getötet werden. Wird das Wasser aber wieder abgekühlt oder bilden sich die aufsteigenden Nebelmassen wieder zu dichten Wolken, aus denen der Blitz schlägt, der Regen auf die Erde stürzt, dann schaut er, wie diese Wesen gleichsam wieder aufleben, ja sogar neu entstehen. Bei dem Ablähmungs- und Sterbeprozeß, der beim Erhitzen und Verdampfen von Wasser stattfindet, geben diese Elementarwesen gleichsam Samen von sich, die wiederum aufsprießen bei der Abkühlung und Verdichtung des Wassers. Unzählige Mengen von Geburten von Elementarwesen sind verbunden mit einem auf die Erde herabströmenden Regen, und wir können darin den wohltätigen Einfluß dieser neuentstehenden Wesen erleben. Wie wohltätig und lebenspendend das Wasser auf den menschlichen Organismus wirken kann, davon hat die Heilkunst in den letzten Jahrzehnten (gesagt 1912) den besten Beweis geliefen, aber sie hat auch erfahren müssen, daß diese Kraft, zuviel oder falsch angewendet, zu Schaden führen kann. Wo warmes (heißes) Wasser zur Verwendung kommt, ist das Bedürfnis vorhanden, die Wirkung der Elementarwesen zu betäuben oder aufzuheben. Beim Gebrauch von kaltem Wasser ist das Bedürfnis, die Leben-reizende Kraft all dieser im Entstehen begriffenen Wesen zu empfinden. [10]

Zitate:

[1]  GA 136, Seite 28f   (Ausgabe 1984, 246 Seiten)
[2]  GA 230, Seite 116f   (Ausgabe 1985, 218 Seiten)
[3]  GA 230, Seite 123   (Ausgabe 1985, 218 Seiten)
[4]  GA 230, Seite 131f   (Ausgabe 1985, 218 Seiten)
[5]  GA 230, Seite 132f   (Ausgabe 1985, 218 Seiten)
[6]  GA 230, Seite 146ff   (Ausgabe 1985, 218 Seiten)
[7]  GA 121, Seite 102   (Ausgabe 1982, 214 Seiten)
[8]  GA 211, Seite 205   (Ausgabe 1986, 223 Seiten)
[9]  GA 155, Seite 200   (Ausgabe 1982, 252 Seiten)
[10]  GA 265, Seite 357f   (Ausgabe 1987, 521 Seiten)

Quellen:

GA 121:  Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der germanisch-nordischen Mythologie (1910)
GA 136:  Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen (1912)
GA 155:  Christus und die menschliche Seele. Über den Sinn des Lebens. Theosophische Moral. Anthroposophie und Christentum (1912/1914)
GA 211:  Das Sonnenmysterium und das Mysterium von Tod und Auferstehung. Exoterisches und esoterisches Christentum (1922)
GA 230:  Der Mensch als Zusammenklang des schaffenden, bildenden und gestaltenden Weltenwortes (1923)
GA 265:  Zur Geschichte und aus den Inhalten der erkenntniskultischen Abteilung der Esoterischen Schule von 1904 bis1914 (1906-1924)