Biographische Berichte festgehalten durch Schüler Rudolf Steiners
► Gründe für die Erkrankung Rudolf Steiners

Die Leitung der anthroposophischen Bewegung bedingt daß dasjenige, was im Zusammenhange mit mir geschieht, ich selber in der Lage bin, hinaufzutragen in die geistige Welt, um nicht nur eine Verantwortung zu erfüllen gegenüber von irgend etwas, was hier auf dem physischen Plane ist, sondern eine Veranwortung, die, durchaus hinaufgeht in die geistigen Welten. Und sehen Sie, Sie müssen sich schon, wenn Sie im rechten Sinne mitmachen wollen, namentlich dasjenige mitmachen wollen, was die anthroposophische Bewegung seit der Weihnachtstagung geworden ist, in diesen Gedanken hineinfinden, was es heißt, vor der geistigen Welt die anthroposophische Bewegung zu verantworten.

Ich könnte viel über dieses Thema reden, und ich möchte das eine von dem vielen gerade bei dieser Gelegenheit sagen. Natürlich, bei den Menschen, die in der anthroposophischen Bewegung sind, kommen mannigfaltige persönliche Dinge zum Ausdruck. Dasjenige, was auf der Erde als Persönliches vertreten wird, das ist, wenn es sich vermischt mit dem, was gerade für die anthroposophische Sache geschehen soll, ein Element, das der geistigen Welt gegenüber, wenn es persönlich bleibt, nicht zu verantworten ist. Und welche Schwierigkeiten erwachsen dem, der irgend eine Sache vor der geistigen Welt verantwortungsvoll zu vertreten hat, wenn er zuweilen mitzubringen hat mit dem, was er zu verantworten hat, das, was aus den persönlichsten Aspirationen der teilnehmenden Menschen kommt! Was das bewirkt, dessen sollten Sie sich doch ein wenig auch bewußt sein. Es bewirkt die schauderhaftesten Rückschläge von seiten der geistigen Welt heraus, wenn man der geistigen Welt in der folgenden Art gegenüberzutreten hat. Irgend ein Mensch arbeitet mit in der anthroposophischen Bewegung. Er arbeitet mit; aber er arbeitet in das, was er mitarbeitet, persönliche Ambitionen, persönliche Intentionen, persönliche Qualitäten hinein. Nun hat man dann diese persönlichen Ambitionen, diese persönlichen Tendenzen. Die meisten wissen nicht, daß sie persönlich sind, die meisten halten das, was sie tun, eben für unpersönlich, weil sie sich selber täuschen über das Persönliche und Unpersönliche. Das ist dann mitzunehmen. Und das wirkt in den wirklich schaudervollsten Rückschlägen heraus aus der geistigen Welt auf denjenigen, der diese Dinge, die aus den Persönlichkeiten hervorquellen, mit hineinzutragen hat in die geistige Welt.

Das sind innere Schwierigkeiten, meine lieben Freunde, die sich gerade für eine solche Bewegung ergeben, wie die der Anthroposophie innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft. Und es muß schon sein, daß darauf aufmerksam gemacht werde. Gewiß, es ist schrecklich, daß wir solch schreckliche Gegner haben, aber diese Gegner müssen halt in irgend einer Weise in der richtigen Art von uns behandelt werden. Aber in bezug auf das Innere, wie Anthroposophie zu vertreten ist, ist es viel schrecklicher, wenn es nötig wird, das, was erarbeitet wird innerhalb der anthroposophischen Bewegung, das belastet hinauftragen zu müssen in die geistige Welt, belastet mit persönlichen Interessen des einen oder des anderen. Und es wird wenig eigentlich nachgedacht gerade über dieses Faktum. [1]

Jahre vorher hatte Dr. Steiner einmal, im Blick auf meine (Pastor Rittelmeyer) Seelsorgetätigkeit, die ja viel bescheidener war, zu meiner Frau gesagt: «Die vielen Besuche muß er sich abhalsen. Was ihm die Menschen da sagen, das ist ja dann doch alles in ihm drin. Das macht ihn krank.» Wer ahnen kann, wie viel innere Hingabe zu einer wirklichen geistigen Beobachtung und Beratung gehört, weit über das hinaus, was man so gewöhnlich «Liebe» nennt, der mag bemessen, was damals geschah. Rudolf Steiner selbst hat in seiner letzten Krankheit ausgesprochen: was ihm den Rest gegeben habe, seien die vielen persönlichen Gespräche gewesen, nicht die Vorträge. [2]

Zitate:

[1]  GA 263/1, Seite 226   (Ausgabe 1990, 297 Seiten)
[2]  Ri, Seite 157   (Ausgabe 1928, 0 Seiten)

Quellen:

GA 263/1:  Rudolf Steiner / Edith Maryon: Briefwechsel. Briefe – Sprüche – Skizzen (1912-1924)
Ri:  Friedrich Rittelmeyer: Meine Lebensbegegnung mit Rudolf Steiner (1928)