Schilderung von Teilen der übersinnlichen Welt
► Bewußtseinsstufen höhere

Nun ist aber diesem Eingeweihten eine noch höhere Bewußtseinsart erreichbar. Es ist aus dem Vorhergehenden nämlich ersichtlich, daß auch im Tonbewußtsein die Seele noch mit dem Menschenleibe verbunden ist. Diese Verbindung kann ganz aufhören. Die Seele kann den Leib völlig verlassen. Dies lernt der Eingeweihte. Und dann muß er Organe noch höherer Art als vorher ausgebildet haben, wenn er noch etwas wahrnehmen will. Ist das der Fall, dann drückt sich in seiner Umgebung der Sinn der Welt unmittelbar aus, ohne die Vermittelung des Tones. Man nennt diese zunächst höchste Bewußtseinsstufe das spirituelle oder reingeistige Bewußtsein. Im Sinne der vorhergehenden Aufzählung der Bewußtseinsstufen müßte im gegenwärtigen Menschen dem ein Zustand entsprechen, der ein noch dumpferes Bewußtsein darstellt als das traumlose Schlafbewußtsein. Dem Sinne nach ist das allerdings der Fall. Doch kann der gegenwärtige Mensch diesen Zustand in der Wirklichkeit nicht darleben. Es müßte dann seine Seele ganz außerhalb des Leibes sein; der traumlose Schlaf müßte unterbrochen sein von einem ganz seelenlosen Zustande. Das käme in der Tat einem zeitweiligen Hingegebensein des physischen Leibes an sich selbst gleich, das heißt einer vorübergehenden Tötung. Dieser darf der physische Leib nicht ausgesetzt werden, wenn er nicht Gefahr laufen soll, nicht mehr aufnahmefähig für die Seele zu werden. [1]

In der Entwickelung ist aber dieser Zustand in der Tat dem traumlosen Schlafbewußtsein vorangegangen, so daß die vollständige Reihe der Bewußtseinsstufen des Menschen diese ist:

  1. ein niedriges dumpfestes Bewußtsein
  2. ein traumloses Schlafbewußtsein
  3. ein Traumbewußtsein
  4. das helle Tagesbewußtsein
  5. das Bilderbewußtsein
  6. das Tonbewußtsein
  7. das spirituelle Bewußtsein

Nur bis zu der vierten Bewußtseinsstufe ist der Leib des Menschen in der Gegenwart vorgedrungen. Die höheren Bewußtseinsarten kann der Eingeweihte erreichen. Sie führen ihn aber auch in höhere Welten. Die Entwickelung des Menschen ist aber so vorzustellen, daß sich der physische Leib selbst durch die drei ersten Stufen hindurch gebildet hat und gegenwärtig eine solche Bildung angenommen hat, daß er im Schlaf zwei andere Bewußtseinsformen noch zeigt als Reste vorangegangener Stufen. Die erste Stufe ist durch die Entwickelung vollständig verwischt worden. – Die drei höheren Bewußtseinsstufen des Eingeweihten können gegenwärtig sich noch nicht im physischen Menschenleibe zum Ausdrucke bringen, weil dieser keine Organe für sie entwickeln kann. Sie sind prophetische Vorausverkündigungen von Formen, welche dieser physische Leib noch annehmen wird.

Will man sich, von diesen Auseinandersetzungen ausgehend, die gegenwärtige Welt richtig vorstellen, so stellt sie sich dar als eine vierfache: zuerst die physische Welt der leiblichen Sinne, dann diese umhüllend und durchdringend eine Bilderwelt, ferner eine beide durchsetzende Tonwelt und endlich eine ihnen allen zum Grunde liegende spirituelle Welt. [2]

Zitate:

[1]  GA 89, Seite 30f   (Ausgabe 2001, 234 Seiten)
[2]  GA 89, Seite 31   (Ausgabe 2001, 234 Seiten)

Quellen:

GA 89:  Bewußtsein – Leben – Form. Grundprinzipien der geisteswissenschaftlichen Kosmologie (1903-1906)