Veda

Wenn der indische Schüler sich erhob in das obere Devachan, so nahm er durch die Sphärenmusik und durch das Sphärenwort wahr, wie der Urgeist Brahma sich gliedert durch die Evolution, in der siebengliedrigen Planetenkette, und er hörte das aus dem Urwort Vâc. Das war die Bezeichnung des Urtones der Schöpfung, den der Schüler hörte; darinnen hörte er die ganze Weltenentwickelung. Das in sieben Glieder gespaltene Wort, das Urwort der Schöpfung, das wirkte in der Seele des Schülers, das Urwort, das er dem Nichteingeweihten ungefähr so beschrieb, wie wir heute beschreiben würden die Weltevolution. Und diese Beschreibung finden wir zuerst wieder in der uralt heiligen Religion der Inder, in dem, was man nannte den Veda oder auf deutsch das «Wort». Das ist der wirkliche Sinn der Veden, und dasjenige, was später geschrieben ist, ist nur die letzte Erinnerung an die uralt heilige Wortlehre. Das Wort selbst ist nur von Mund zu Mund fortgepflanzt worden, denn durch das Niederschreiben wird die Urtradition verletzt. Nur aus den Veden kann man noch etwas herausfühlen von dem, was damals in diese Kultur eingeflossen ist. [1]

Veda bedeutet dasselbe wie Edda. Nur ist das in den Veden Enthaltene eine feinere Ausbildung dessen, was in gröberer Weise hier in Europa als Edda zurückgeblieben ist, und erst am Ende des Mittelalters Aufzeichnung gefunden hat. [2] Die Veden sind schwache Nachbilder der ursprünglichen heiligen Weisheit der Rishis. (Aber trotzdem) muß derjenige, der sich in der richtigen Weise zu den Veden stellen will, sich wie der alte Inder dazu stellen, das heißt er muß sagen: «Dasjenige, was in den Veden selbst steht, hat kein Mensch hinterher bloß nachgeschrieben als Ausdruck der göttlichen Weisheit, sondern das ist unmittelbar eine Nachbildung dessen, was eingeatmete Weisheit ist». Daher ist das Vedawort, daher sind die Teile der Veden, namentlich der Rig-Veda, nicht nur Urkunden über Heiliges, sondern selbst ein Heiliges für diejenigen, die empfanden, wie der Zusammenhang ist. Und dadurch die unendliche Verehrung des Veda selber wie eines göttlichen Wesens in alten Zeiten. [3]

Zitate:

[1]  GA 106, Seite 56f   (Ausgabe 1978, 180 Seiten)
[2]  GA 93a, Seite 253   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[3]  GA 113, Seite 160f   (Ausgabe 1982, 228 Seiten)

Quellen:

GA 93a:  Grundelemente der Esoterik (1905)
GA 106:  Ägyptische Mythen und Mysterien im Verhältnis zu den wirkenden Geisteskräften der Gegenwart (1908)
GA 113:  Der Orient im Lichte des Okzidents. Die Kinder des Luzifer und die Brüder Christi (1909)