Wotan

Was sich an den Namen des Wotan knüpft, ist im Grunde genommen der Zeit nach später gelegen als die Blütezeit der Druidenkultur. Man muß in dem Weisheitskreise, möchte man sagen, der hinweist auf den Götternamen des Wotan oder Odin, etwas sehen, was zunächst vom Osten herübergekommen ist von einem Mysterienkreise (siehe: Mysterien kolchische), der in der Nähe des Schwarzen Meeres war; und der dann seinen geistigen Inhalt von dem Osten nach dem Westen ergossen hat, indem gewissermaßen koloniale Mysterienstätten vom Schwarzen Meer herüber nach dem Westen hin in der verschiedensten Weise gegründet worden sind. [1] Jene geistige Wesenheit, die als Wotan bezeichnet wird, war den Atlantiern wohl bekannt; man kann sagen, alle Atlantier standen mit ihr in einer näheren oder entfernteren Verbindung. Aber immer mehr verlor sich der bewußte Zusammenhang. Nun gab es unter der europäischen Bevölkerung, bei den Vorgermanen, zahlreiche Menschen, die in einem Zwischenzustand zwischen Wachen und Schlafen in eine Beziehung oder Verbindung mit diesem Wotan treten konnten, der in der geistigen Welt wirklich existierte, durch seine Entwickelung aber gebunden war und sich nicht mehr in der alten Weise populär machen konnte. Auch in Asien gab es solche Menschen. Dies ging bis in späte Zeiten hinein, in die uns selbst die Geschichte noch zurückweist. [2]

Zu derselben Zeit, in der das jüdische Prophetentum besteht, in den Jahrhunderten vor Christus, finden wir hier (im Norden) den Hinweis auf einen großen uralten atlantischen Initiierten, auf Wod-Wodha-Odin. Das ist ein modernisiertes Atlantiertum. Und das geschieht überall, drüben in Asien auch. In Asien ist das W ein B, Wodha = Bodha = Buddha. Der Buddhismus ist drüben in Asien dieselbe Erscheinung, die als ein Rückschlag in die atlantische Zeit auftritt. Daher finden wir den Buddhismus am ausgebreitetsten bei den Überresten der Atlantier, bei den mongolischen Völkern. Und wo er am großartigsten, säulenartig auftritt, in Tibet, da haben wir einen modernen, monumentalen Ausdruck alter atlantischer Kultur. [3]

In der Mitte der atlantischen Zeit ist ein wichtiger Scheideweg, ein Kreuzweg gewesen für gewisse geistige Wesenheiten. Für sie sollte sich sozusagen entscheiden, ob sie mit hinuntersteigen wollten in eine Art von Abgrund, aus dem sie später sich wieder um so stärker erheben können, eben weil sie dann tiefer gesunken sind und deshalb größere Kräfte entwickeln müssen, oder ob sie den direkten Weg einschlagen wollten. Gewisse geistige Wesenheiten, die früher Genossen der Menschen gewesen waren, schlugen nun den direkten Weg ein, sie beschlossen gewissermaßen, sich nie wieder in menschliche Leiber hineinzubegeben, sie blieben im Reiche der Geister. An ihnen geht also die Entwickelung der Menschheit mehr oder weniger spurlos vorüber. Dagegen gab es andere göttliche Wesenheiten, unter denen sich zum Beispiel eine große Zahl in der Erinnerung der europäischen und anderer Völker erhalten hat unter dem Namen Zeus und Wotan, die beschlossen haben, immer wieder zum Heile der Menschheit menschliche Leiber zu beziehen und herunterzusteigen, um für sie zu wirken. Aber es war nicht allen möglich, in demselben Maße herunterzusteigen, denn dadurch, daß der Mensch immer weiter hinabstieg in die physische Welt, wurden die Leiber ja ein immer weniger geeignetes Werkzeug für die göttlichen Wesenheiten. Nur diejenigen, die in einer gewissen Weise ihren Leib hinaufläuterten, die durch viele Inkarnationen hindurch einen edlen Leib zustande gebracht hatten, die so stark geläuterte Ätherleiber und physische Leiber hatten, daß sie gewisse Zusammenhänge mit der physischen Welt vollständig in ihrer Seele auslöschten; Menschen, die ihrer ganzen Gesinnung und Wesenheit nach mehr in dem lebten, was nicht auf der Erde war, als in dem, was die Erde bot, nur solche konnten noch die Seelen höherer geistiger Wesenheiten in sich aufnehmen, wie der Mensch in seinem physischen Leibe seine Seele aufnimmt. Aber daher geschah es auch, daß solche Wesenheiten, in denen göttlich-geistige Wesenheiten verborgen waren, welche sozusagen nicht tief genug hinuntersteigen konnten in die physische Welt, in einer eigenartigen Weise vor der Welt dastanden. Konnte solch ein Wesen vollständig verstanden werden von denjenigen Menschen, die ganz in die physische Welt herabgestiegen waren, die immer mehr sich bemühten, gerade diesen physischen Plan liebzugewinnen und ihre Arbeit auf diesem physischen Plane zu verrichten? Oder konnte es nicht vielmehr von denen besser verstanden werden, die sich mehr den Charakter einer früheren Zeit erhalten hatten, die mehr Nachzügler früherer Zeitalter geblieben waren? In der Tat konnte eine solche Wesenheit weit besser verstanden werden von den Nachzüglern selbst der atlantischen Zeit. Namentlich sind es die mongolischen Völkerschaften, die nicht so tief hinabgestiegen sind, sich nicht so verstrickt haben in den physischen Plan, auch nicht so viel für dessen Eroberung getan haben wie die europäischen Völker. Wir sehen, wie Wotan, der früher als Eingeweihter in einem Menschenleib gewohnt und in den heiligen Mysterien gelehrt hatte, wie Wotan gerade dadurch, daß er nicht tief genug hinabgestiegen war, sich in jener Menschengruppe verkörpern konnte, die in einer gewissen Weise zurückgeblieben war, die eben deshalb etwas von der Nichtigkeit des physischen Planes fühlte, ihn nicht als vollwertigen Ausdruck der Gottheit ansah, sondern als eine Stätte des Leides, des Wehs, des Schmerzes betrachtete, so daß es wirklich der Seligkeit entsprechend sei, sich von diesem physischen Plane zurückzuziehen. Diese Individualität, die wirklich als Wotan gelehrt hat in den Mysterien der germanischen Völker, ist dieselbe, die später zu derselben Mission wieder erschien als Buddha. [4] (Siehe auch: Buddha).

Das Mysterium, aus dem diese Wotankultur hervorgegangen ist, war ein Merkurmysterium. Wotan wird als der Bringer der Runenkunst, der Runenschrift geschildert, also als der Bringer dessen, was der Mensch an Entzifferungskunst des Weltenalls auf die erste, ganz primitive intellektualistische Weise aus sich selbst heraus schöpft. [5]

Zitate:

[1]  GA 228, Seite 80   (Ausgabe 1964, 155 Seiten)
[2]  GA 105, Seite 148f   (Ausgabe 1983, 208 Seiten)
[3]  GA 93a, Seite 260f   (Ausgabe 1972, 286 Seiten)
[4]  GA 105, Seite 170uf   (Ausgabe 1983, 208 Seiten)
[5]  GA 228, Seite 87   (Ausgabe 1964, 155 Seiten)

Quellen:

GA 93a:  Grundelemente der Esoterik (1905)
GA 105:  Welt, Erde und Mensch, deren Wesen und Entwickelung sowie ihre Spiegelung in dem Zusammenhang zwischen ägyptischem Mythos und gegenwärtiger Kultur (1908)
GA 228:  Initiationswissenschaft und Sternenerkenntnis. Der Mensch in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vom Gesichtspunkt der Bewußtseinsentwickelung (1923)