Wissenschaft – Begriffssystem der heutigen Wissenschaft

Schon in unseren einfachsten Wissenschaften stecken Definitionen, die eigentlich gar keine Berechtigung haben. Schlagen Sie irgendein Physikbuch auf. Sie finden darin eine Definition: Was ist Undurchdringlichkeit? Undurchdringlichkeit ist die Eigenschaft der Körper, daß an dem Orte, wo ein Körper ist, nicht zugleich ein anderer sein kann. – Das ist eine Definition der Undurchdringlichkeit. Im ganzen Umfange des Wissens und Erkennens darf aber so gar nicht definiert werden, sondern diese (Definition der) Undurchdringlichkeit ist eigentlich bloß ein maskiertes Postulat. In Wirklichkeit müßte gesagt werden: Man nennt einen Körper undurchdringlich, wenn er so beschaffen ist, daß an dem Orte, wo er ist, nicht zugleich ein anderer sein kann, – Es ist das nämlich bloß eine Anleitung, einen Körper zu bestimmen, seine Eigenart zu postulieren; und erst unter dem Einfluß der materialistischen Denkweise werden Postulate maskiert als Definitionen gegeben. Das alles bildet ein ganzes Meer von Schwierigkeiten, deren sich die heutige Menschheit gar nicht bewußt ist, weil sie es wirklich von der untersten Volksschulklasse an eingesaugt hat; man weiß gar nicht, auf welchem brüchigen Boden, auf welchem Glatteis man in Wirklichkeit herumgeht mit dem, was heute als Begriffssystem ausgebildet ist. Dieses Begriffssystem, das nun tatsächlich fast noch mehr korrumpiert ist als die theologischen Begriffe – denn die Physiker haben oftmals gar keine Ahnung, wie ihre Wissensbegriffe korrumpiert sind –, das ist dasjenige, was nun nicht nur den Glauben tötet, sondern was in vieler Beziehung auch das Leben tötet. Diese korrumpierten Wissensbegriffe sind nicht nur der Seele, sondern sogar dem leiblichen Leben schädlich. Wer Pädagoge ist, weiß das. [1]

Zitate:

[1]  GA 343, Seite 95f   (Ausgabe 1993, 674 Seiten)

Quellen:

GA 343:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, II. Spirituelles Erkennen – Religiöses Empfinden – Kultisches Handeln (1921)