Temperament

Das Denken des Thales von Milet, der ersten Philosophen, war noch beeinflußt von dem Ätherleibe. Das Temperament sitzt im Ätherleibe und aus diesem Temperament schaffen sie ihre Wasser-, Luft-, Feuerphilosophien. [1] Es steht nun in einer geheimnisvollen Verwandtschaft mit den vier Elementen der elementarischen Welt dasjenige im Menschen, was man seine Temperamente nennt, und zwar so, daß eine Verwandtschaft besteht zwischen dem melancholischen Temperament und dem Elemente der Erde, zwischen dem phlegmatischen Temperament und dem Elemente des Wassers, zwischen dem sanguinischen Temperament und dem Elemente der Luft, und zwischen dem cholerischen Temperament und dem Elemente des Feuers. Diese Verwandtschaft kommt im Erleben der elementarischen Welt so zum Ausdruck, daß in der Tat zum Beispiel der cholerische Mensch mehr Neigung hat, mit den im Feuer in der elementarischen Welt lebenden Wesenheiten und Tatsachen zusammenzuwachsen als mit den in den anderen Elementen lebenden Wesenheiten. Der Sanguiniker hat wiederum mehr die Neigung, mit den im Element der Luft auftretenden Wesenheiten zusammenzuwachsen, der Phlegmatiker mit den im Wasser und der Melancholiker mit den in der Erde auftretenden Tatsachen und Wesenheiten. So kommt man in eine gewisse Abhängigkeit in dem Augenblicke, in dem man durch wirkliches Erleben die elementarische Welt betritt. Und Sie können sich daraus leicht die Vorstellung bilden, daß die verschiedensten Menschen Ihnen im Grunde genommen das Verschiedenste erzählen können von der elementarischen Welt und daß eigentlich keiner so ganz unrecht zu haben braucht, wenn er verschieden von einem andern seine eigenen Erlebnisse in dieser Welt schildert. Daher brauchen Sie sich gar nicht zu verwundern, wenn die Schilderungen gewisser niederer Hellseher in bezug auf die elementarische Welt sehr voneinander abweichend sind, denn beurteilen kann man diese Welt doch erst dann, wenn man eine genaue Erkenntnis von sich selber hat. [2]

Diese vier Temperamente drücken sich im Ätherleib aus. Es gibt also vier verschiedene Hauptarten von Ätherleibern. Diese haben wiederum verschiedene Strömungen und Bewegungen, die sich in einer bestimmten Grundfarbe im Astralleib ausdrücken. Das ist nicht etwa vom Astralleib abhängig, es zeigt sich nur darin. [3]

Es wird einmal eine Zeit kommen, wo es für einen Unsinn angesehen werden wird, zu meinen, daß der Mensch nur einmal lebt, daß nicht etwas Bleibendes da ist, das sich verbindet mit dem, was die vererbten Merkmale sind. Nun entsteht die große Frage: Wie kann dasjenige, was aus ganz anderen Welten stammt, was sich Vater und Mutter suchen muß, sich vereinen mit dem Leiblich-Physischen, wie kann es sich umkleiden mit dem, was die körperlichen Merkmale sind, durch die der Mensch hineingestellt wird in die Vererbungslinie? Wie geschieht die Vereinigung der beiden Strömungen, der geistig-seelischen Strömung, in die der Mensch hineingestellt ist durch die Wiederverkörperung, und der leiblichen Strömung der Vererbungslinie? Es muß ein Ausgleich geschaffen werden. Indem die beiden Strömungen sich vereinigen, färbt die eine Strömung die andere. Sie färben sich gegenseitig. So wie sich die blaue und die gelbe Farbe etwa vereinigen in dem Grün, so vereinigen sich die beiden Strömungen im Menschen zu dem, was man sein Temperament nennt. Das Temperament gleicht das Ewige mit dem Vergänglichen aus. Dieser Ausgleich geschieht dadurch, daß dasjenige, was wir als die Glieder der menschlichen Natur kennengelernt haben, in ganz bestimmter Art und Weise miteinander ins Verhältnis tritt. [4] Dadurch nun, daß zwei Strömungen im Menschen zusammenfließen, wenn er hineintritt in die physische Welt, dadurch entsteht eine verschiedene Mischung der 4 Wesensglieder des Menschen, und eines erhält sozusagen die Herrschaft über die anderen und drückt ihnen die Färbung auf. Beherrscht der Ich-Träger die übrigen Glieder des Menschen, so herrscht das cholerische Temperament vor. Herrscht der Astralleib über die anderen Glieder, so sprechen wir dem Menschen ein sanguinisches Temperament zu. Herrscht vor der Ätherleib, so sprechen wir vom phlegmatischen Temperament. Und ist vorherrschend der physische Leib, so handelt es sich um ein melancholisches Temperament. Das Ich drückt sich in der Zirkulation des Blutes aus. Deshalb ist beim Choleriker vorherrschend das Blutsystem. Der Astralleib findet seinen physischen Ausdruck im Nervensystem; wir haben deshalb beim Sanguiniker im physischen Leibe tonangebend das Nervensystem. Der Ätherleib drückt sich physisch aus im Drüsensystem; deshalb ist beim Phlegmatiker im physischen Leibe tonangebend das Drüsensystem. Der physische Leib als solcher kommt nur im physischen Leibe zum Ausdruck; deshalb ist der physische Leib beim Melancholiker das äußerlich Tonangebende. [5]

Das phlegmatische und sanguinische Temperament hängt zusammen mit dem Nerven-Sinnessystem; das cholerische und melancholische mit dem Stoffwechsel-Gliedmaßensystem (siehe: Dreigliederung des Menschen). [6] Der Mensch hängt zusammen mit Sternenwelten auf geistig-seelische Art. Im Mondenhaften sind zusammenziehende Kräfte, im Sonnenhaften Ausdehnungs-kräfte. Diese halten sich mehr oder weniger richtig im Menschen die Waage. Im Mondenhaften wurzeln die melancholischen Seelenanlagen, im Sonnenhaften die sanguinischen Seelenanlagen und ein harmonischer Ausgleich findet statt durch kosmische Wirkungen. [7]

Zitate:

[1]  GA 161, Seite 38   (Ausgabe 1980, 292 Seiten)
[2]  GA 119, Seite 163f   (Ausgabe 1962, 279 Seiten)
[3]  GA 95, Seite 64   (Ausgabe 1978, 164 Seiten)
[4]  GA 57, Seite 277f   (Ausgabe 1961, 434 Seiten)
[5]  GA 57, Seite 278f   (Ausgabe 1961, 434 Seiten)
[6]  GA 300b, Seite 267   (Ausgabe 1975, 0 Seiten)
[7]  GA 309, Seite 87   (Ausgabe 1981, 112 Seiten)

Quellen:

GA 57:  Wo und wie findet man den Geist? (1908/1909)
GA 95:  Vor dem Tore der Theosophie (1906)
GA 119:  Makrokosmos und Mikrokosmos.. Die große und die kleine Welt. Seelenfragen, Lebensfragen, Geistesfragen (1910)
GA 161:  Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung (1915)
GA 300b:  Konferenzen mit den Lehrern der Freien Waldorfschule. Band II (1919-1924)
GA 309:  Anthroposophische Pädagogik und ihre Voraussetzungen (1924)