Transsubstantiation

Ich habe auch einen die Messe lesen sehen im unteren Erdgeschoß [einer Kirche] in Neapel, da konnte ich an der Transsubstantiation wirklich sehen dasjenige, was der katholischen Wandlung zugrundeliegt. Es ist tatsächlich so: Wenn die Transsubstantiation durch einen wirklichen Priester durchgeführt wird, dann bekommt die Hostie eine Aura. [1]

In jenen Mysterien, in die der auferstandene Christus hineingesprochen hat, da wußte man noch: Es war einmal vorhanden beim Menschen ein höchstes Stoffwissen, Stoffwechselwissen. Nicht mehr auf dieselbe Art, wie es die Urmenschheit getan hat, auch nicht auf degenerierte Art, wie es dann die Haschisch-Esser und andere getan haben, um aus den Wirkungen des Stofflichen heraus Erkenntnisse zu gewinnen, die man ohne dieses nicht gewinnen kann, nicht auf diese Art wollte man für eine gewisse Sache das alte Stoffeswissen auferwecken, wohl aber auf eine andere Art: dadurch, daß man einhüllte in Kultus, in bestimmte mantrische Formel einhüllte vor allen Dingen in die ganze Struktur des Mysteriums des Offertoriums, des Opfers, der Transsubstantiation, der Kommunion, daß man einhüllte in diese Strukturformen das Mysterium von Golgatha, dem Menschen das Abendmahl reichte als Brot und Wein. Nicht indem man ihm Gift gab, aber indem man ihm das Abendmahl reichte und erst dieses Abendmahl einhüllte in dasjenige, was ausgeht von den mantrischen Formeln des Meßopfers, und ausgeht von dem, was in der vierfachen Gliederung der Messe – Evangelium, Opferung, Wandlung und Kommunion – liegt. Denn nach der Kommunion, nachdem der vierte Teil des Meßopfers vorbei ist, sollte ja stattfinden die eigentliche Kommunion der Gläubigen, und man wollte wenigstens einen Anhaltspunkt geben dafür, daß wiedererlangt werden muß ein Wissen, welches hinführt zu dem, wozu das alte Stoffwechsel-Wissen in instinktiver Art hingeführt hat. Dazumal, als der durch den Tod gegangene Christus seine eingeweihten Schüler lehrte, da konnten die Menschen von sich selbst aus zu einem solchen Wissen nicht kommen. Er hat es sie aber gelehrt. Und in den vier ersten christlichen Jahrhunderten war dieses Wissen in einer gewissen Weise noch lebendig. Dann verknöcherte es in der römisch-katholischen Kirche, indem diese zwar das Meßopfer beibehielt, aber keine Interpretation mehr dafür hat.

Daß gerade das Meßopfer mit seinem wunderbaren Kultus, seiner Nachahmung der vier Mysterienkapitel, eingesetzt worden ist, das geht eben durchaus auf das zurück, daß der auferstandene Christus auch der Lehrer war derjenigen, die diese Lehren in einem höheren esoterischen Sinn empfangen konnten. Manche Geheimgesellschaften haben in ihren Schriften Formeln, die durchaus erinnern an dasjenige, was die Lehren waren des auferstandenen Christus an seine eingeweihten Jünger. [2] Das Meßopfer ist eine kontinuierliche Fortentwickelung der Mithras-Mysterien, die in gewisser Weise etwas kombiniert sind mit den eleusinischen Mysterien. Aber die Ähnlichkeit des Grundgeistes, die kann nur der ermessen, welcher gewisse Einzelheiten in der richtigen Weise einzuschätzen weiß. Daß der Priester, wie übrigens auch der sonst das Abendmahl Empfangende, den Leib des Herrn zu sich nimmt, nachdem er so und so lange nichts gegessen hat – wie man sagt: mit nüchternem Magen –, das ist zum Verständnis der Sache viel wichtiger, als manches andere, namentlich manches, worüber man im Mittelalter furchtbar gestritten hat. Denn das ist etwas zum Beispiel, worauf es ankommt. Und wenn irgendein Priester, wie es ja auch wohl vorkommt, dieses Gebot, wirklich mit nüchternem Magen die Transsubstantiation und die Kommunion zu vollziehen, übertritt, dann hat sie durchaus nicht den Sinn, die Bedeutung, die Wirkung, die sie haben soll. Allerdings, zumeist hat sie nicht die Wirkung, weil die Betreffenden nicht in der richtigen Weise unterrichtet werden. Denn die Wirkung kann nur da sein, wenn ein entsprechender Unterricht stattgefunden hat über dasjenige, was unmittelbar nach dem Empfang des blutlosen Leibes des Herrn erlebt wird. Aber Sie wissen ja vielleicht selbst, wie wenig auf diese Feinheiten mehr heute gesehen wird; wie wenig darauf gesehen wird, daß dadurch wirklich ein Erlebnis eintreten soll, das ein gewisses innerliches Verspüren darstellt, eine Art neuzeitlicher Wiedererneuerung desjenigen, was als Anregung in den Mithras-Mysterien stattgefunden hat. [3]

In der Zeit, in der die Geheimnisse der Alchimie bekannt waren, in der Zeit des 4. nachatlantischen Zeitraums, da konnte man sehr gut auf kirchlichem Gebiete von der Transsubstantiation, von der Verwandlung des Brotes und des Weines in den Leib und in das Blut sprechen, denn man konnte mit diesen Worten noch bestimmte Begriffe verbinden. Luther war verwoben mit der Denkweise, mit der Empfindungsweise der vierten nachatlantischen Zeit, aber hineingestellt war er in die fünfte nachatlantische Zeit. Er mußte daher die Transsubstantiation herausheben aus dem physischen, materiellen Verwandlungszusammenhang. Und was wurde für ihn das Sakrament – ein bloß im Geistigen vor sich gehender Prozeß. Es wird nichts verwandelt, sondern nur, indem das Abendmahl gereicht wird, geht in den Gläubigen der Leib und das Blut Jesu Christi über. [4]

Wenn wir unsere Seele, unser Gemüt erheben können zu den geistigen Impulsen, die von Erdenleben zu Erdenleben wirken, dann verstehen wir auch das, was am Altar in der Transsubstantiation geschieht. Denn da ist es nicht anders. [5]

Zitate:

[1]  GA 342, Seite 139   (Ausgabe 1993, 164 Seiten)
[2]  GA 211, Seite 135ff   (Ausgabe 1986, 223 Seiten)
[3]  GA 175, Seite 323   (Ausgabe 1982, 416 Seiten)
[4]  GA 177, Seite 113   (Ausgabe 1977, 262 Seiten)
[5]  GA 346, Seite 113   (Ausgabe 1995, 343 Seiten)

Quellen:

GA 175:  Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha. Kosmische und menschliche Metamorphose (1917)
GA 177:  Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister der Finsternis (1917)
GA 211:  Das Sonnenmysterium und das Mysterium von Tod und Auferstehung. Exoterisches und esoterisches Christentum (1922)
GA 342:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, I. Anthroposophische Grundlagen für ein erneuertes christlich-religiöses Wirken (1921)
GA 346:  Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken, V. Apokalypse und Priesterwirken (1924)