Siegel apokalyptische
► 4. Siegel

Das 4. Siegel stellt unter anderem zwei Säulen dar, deren eine aus dem Meer, die andere aus dem Erdreich aufragt. In diesen Säulen ist das Geheimnis angedeutet von der Rolle, welche das rote (sauerstoffreiche, arterielle) Blut und das blaurote (kohlenstoffreiche, venöse) Blut in der menschlichen Entwickelung spielt, und wie dieses Blut entsprechend der menschlichen Entwickelung von fernen Urzeiten bis in ferne Zukunftszeiten sich wandelt. Die Buchstaben auf diesen beiden Säulen deuten in einer nur den Eingeweihten bekannten Art auf dieses Entwickelungsgeheimnis – alle in öffentlichen Schriften, oder auch in gewissen Gesellschaften gegebenen Deutungen der beiden Buchstaben (siehe: Jakim und Boas) bleiben doch nur bei einer oberflächlichen exoterischen Auslegung. Das Buch in der Wolke deutet auf einen Zukunftszustand des Menschen, in dem all sein Wissen verinnerlicht sein wird. In der «Offenbarung St. Johannis» findet man darüber die bedeutungsvollen Worte: «Und ich nahm ein Büchlein von der Hand des Engels, und verschlang’s . . .»

4. Siegelbild

Die Sonne auf dem Bilde deutet auf einen kosmischen Vorgang, der sich zugleich mit der gekennzeichneten Zukunftsstufe der Menschheit abspielen wird; die Erde wird in ein ganz anderes Verhältnis zur Sonne treten, als das gegenwärtige im Kosmos ist. [1] Die beiden Säulen deuten (also) auf das Blutgeheimnis und damit hängt die Farbe der beiden Säulen zusammen. [2] Unserer Erde vorangegangen ist dasjenige, was wir nennen den Kosmos der Weisheit, und ihm ist (wiederum) vorangegangen dasjenige, was wir nennen den Kosmos der Stärke, der Kraft. Weisheit und Stärke ist es, was die Erde als Erbschaft von früheren Entwickelungsstufen, vom alten Mond und der alten Sonne übernommen hat. Innerhalb unserer Erdentwickelung kommt das dadurch zum Ausdruck, daß wir die erste Hälfte nach dem Vertreter der Sonnenkraft, dem Mars benennen. Wir sehen in Mars den Bringer von Stärke. Und in dem, was die zweite Hälfte der Erdentwickelung beherrscht, haben wir den Stellvertreter der alten Mondenentwickelung, den Merkur, welcher der Erde die alte Erbschaft des Mondes, die Weisheit, einverleibt. Sie, die Erde selber, soll hinzubringen die Liebe durch ihre Mission. Bis zur Mitte der vierten Periode (siehe: Atlantis) sprechen wir von den Marskräften, von den Kräften, die sozusagen das Wasser gibt, und wir sprechen von Merkurkräften in der späteren Zeit, wo die feste Erde die Stützkräfte gibt. Das gliedert sich so recht zusammen in die Vorstellung, daß der Mensch gestützt wird in seiner ganzen Erdenmission durch zwei Säulen. Diese zwei Säulen stellen dar die zwei Teile der Erdenmission, die zwei Erbschaften, die der Mensch gemacht hat von früheren Zeiten. Und über ihnen symbolisiert sich dasjenige, was durch die Erde selber erreicht werden soll: die Liebe, die sich darlebt, herrlich sich offenbarend, die gestützt wird durch diese Erbschaften. [3] Die welche die Lehren der zwei Säulen geben, werden in der christlichen Esoterik angesehen als Elias und Moses. Elias war derjenige, der dem Menschen die Kundschaft und Botschaft brachte von der Säule der Stärke. Moses derjenige, der sie brachte von der Säule der Weisheit. «Moses» heißt: Weisheit oder Wahrheit, und «Elias» heißt: die weisende Kraft, das, was die Richtung, den Impuls gibt. Wie bei der «Verklärung» nach der christlichen Tradition der Christus erschienen ist zwischen Moses und Elias, so erscheint der ganze Vorgang am Ende der Erdentwickelung so, daß die Sonne, die geistige Sonne der Liebe, die Offenbarung der Erdenmission der Liebe erscheint, gestützt durch Sonne-Mars und Mond-Merkur, durch Elias und Moses. Wie wir gesehen haben die beiden Säulen, die zunächst vor dem Eingeweihten erscheinen als die Symbole von Stärke und Weisheit, und darüber die Sonne der Liebe, so können wir uns jetzt (bei der Verklärung) ein Stück weiter die Erdentwickelung vorstellen, und in seiner Lebendigkeit, in seinem Persönlichen wird uns dasjenige, was die eine Säule ist, als Elias erscheinen, und die andere als Moses, und was darüber ist, als das eigentliche Christus-Prinzip. [4]

Die zwei Säulen stellen den sich verschlingenden roten und blauen Blutbaum dar. Die Wolke darüber ist die heutige Luft, die der Kehlkopf nur beherrscht. Daraus entsteht künftig die ins Feste hineinschaffende Produktionskraft des Menschen. Über den beiden Blutsäulen wird sich herausgestalten der initiierte Mensch, der das Buch verschlungen hat. Und der Mensch erzeugt in sich die Kraft, die die Erde in die Sonne verwandeln wird. [5]

In Wirklichkeit ist alle Materie der Ausdruck von Geistigkeit, eine Kundschaft von der Wirksamkeit Gottes. Und der Mensch wird sein Wesen gleichsam ausdehnen im Laufe der kommenden Zeiten; mehr und mehr sich identifizieren mit der Welt, so daß man ihn darstellen kann, indem man statt der Menschengestalt die Gestalt des Kosmos setzt. Das sehen Sie auf dem vierten Siegel mit dem Felsen, dem Meer und den Säulen. Das, was heute als Wolken die Welt durchzieht, wird seine Materie dazu hergeben, um den Leib des Menschen zu gestalten. Die Kräfte, die heute bei den Geistern der Sonne sind, werden in der Zukunft dem Menschen dasjenige liefern, was in einer unendlich viel höheren Art seine geistigen Kräfte ausbilden wird. Diese Sonnenkraft ist es, zu welcher der Mensch hinstrebt. Im Gegensatz zu der Pflanze, die ihren Kopf, die Wurzel, zum Mittelpunkt der Erde hineinsenkt, wendet er seinen Kopf der Sonne zu; und er wird ihn vereinigen mit der Sonne und höhere Kräfte ernpfangen. Das haben Sie dargestellt in dem Sonnengesicht, das auf dem Wolkenleibe, auf dem Felsen, den Säulen ruht. Selbstschöpferisch wird dann der Mensch geworden sein; und als das Symbol der vollkommenen Schöpfung, umgibt den Menschen der farbige Regenbogen. In der Mitte der Wolken befindet sich ein Buch. Die Apokalypse sagt, daß der Eingeweihte dies Buch verschlingen muß. Damit ist auf die Zeit hingewiesen, wo der Mensch nicht nur äußerlich die Weisheit empfängt, sondern wo er sich mit ihr wie heute mit der Nahrung durchdringen wird, wo er selber eine Verkörperung der Weisheit sein wird. [6] (Siehe auch unter: Jakim und Boas).

Zitate:

[1]  GA 34, Seite 598f   (Ausgabe 1960, 627 Seiten)
[2]  GA 284, Seite 40   (Ausgabe 1993, 208 Seiten)
[3]  GA 104, Seite 169ff   (Ausgabe 1979, 284 Seiten)
[4]  GA 104, Seite 184f   (Ausgabe 1979, 284 Seiten)
[5]  GA 284, Seite 69   (Ausgabe 1993, 208 Seiten)
[6]  GA 284, Seite 76   (Ausgabe 1993, 208 Seiten)

Quellen:

GA 34:  Lucifer – Gnosis. Grundlegende Aufsätze zur Anthroposophie und Berichte aus den Zeitschriften «Luzifer» und «Lucifer – Gnosis» 1903 – 1908 (1903-1908)
GA 104:  Die Apokalypse des Johannes (1908)
GA 284:  Bilder okkulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kongreß Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen (1907)