Selbstzucht des Esoterikers

Für den geisteswissenschaftlichen Weg ist notwendig, daß man in Selbsttätigkeit seine Selbstzucht übernimmt, daß man tatsächlich an sich so arbeitet, daß man nicht nur durch das Leben, das an einen durch das Schicksal herantritt, sich weiterentwickelt, sondern daß man sich weiterentwickelt dadurch, daß man sich vornimmt: du willst dir diese oder jene Gesinnungsrichtung einpflanzen. Jetzt arbeitet man daran, diese Gesinnungsrichtung sich einzupflanzen. Aber es ist ein großer Unterschied, ob man irgend etwas an sich selbst, in der Zucht seines eigenen Wesens nur ausführt, indem man sich dem Leben überläßt, oder ob man diese Zucht des eigenen Selbst wiederum durch das eigene Selbst in die Hand nimmt. Man lernt durch dieses In-die-Hand-Nehmen den Willen in seiner Wirksamkeit kennen; denn man lernt erkennen, was für Widerstände diesem Willen entgegenstehen, wenn man ihn nun in Selbstzucht kultivieren will. Oh, man lernt auf diese Weise allerlei kennen, man verstärkt vor allen Dingen die eigenen Kräfte des Geistig-Seelischen, und man wird sehr bald bemerken, wenn man solche Übungen in Selbstzucht ausübt – aber man muß sie jahrelang ausüben –, daß einem dann innere Kräfte zuwachsen. Diese inneren Kräfte, die sind von solcher Art, daß wir sie nicht in der äußeren Natur finden. Sie sind von solcher Art, daß wir sie auch nicht in dem gewöhnlichen Seelenleben finden, das wir vor unseren Übungen in uns getragen haben. Diese Kräfte entdecken wir erst, wenn wir eben eine solche innere Übung mit uns anstellen. Diese sind zu etwas ganz Bestimmtem imstande: Sie sind imstande, die moralischen Antriebe, die sonst wie instinktiv, wie unbestimmt und getrennt von den Erkenntnisfähigkeiten aufquellen in der Seele, in unser eigenes Selbst viel bewußter aufzunehmen. [1]

Zitate:

[1]  GA 334, Seite 63f   (Ausgabe 1983, 312 Seiten)

Quellen:

GA 334:  Vom Einheitsstaat zum dreigliedrigen sozialen Organismus (1919)