Persönlichkeit

Das reine Denken ist nämlich bloß eine Betätigung der Persönlichkeit, nicht der Individualität, welche in immer wiederkehrenden Reinkarnationen durch die verschiedenen Persönlichkeiten hindurchgeht. Die Gesetze auch der höchsten Logik werden niemals anders, auch wenn in der Stufenfolge der Wiederverkörperungen die menschliche Individualität bis zur Etappe des höchsten Weisen hinaufsteigt. Die geistige Anschauung steigert sich, das Wahrnehmungsvermögen erweitert sich, wenn eine Individualität, die in einer Inkarnation hoch stand, wieder verkörpert wird, die Logik des Denkens aber bleibt dieselbe auch für eine höhere Bewußtseinsstufe. Daher kann dasjenige, was über die einzelne Inkarnation hinausgeht, auch niemals durch ein noch so feines Gedanken-Erlebnis erfaßt werden. [1] Luzifer hat die Persönlichkeit gemacht. Daher konnte man bisher sagen: Der Mensch kann mit seiner Persönlichkeit nicht eindringen in die übersinnliche Welt, kann seine Persönlichkeit nicht hineinbringen in die geistige Welt, er muß seine Persönlichkeit auslöschen, sonst verunreinigt er die geistige Welt. In Zukunft obliegt dem Menschen, daß er die Persönlichkeit inspiriert werden läßt von oben, auf daß sie aufnehmen könne, was da ausfließen soll aus der geistigen Welt. Ihre Note bekommt die Persönlichkeit durch das, was sie an spirituellen Erkenntnissen aufzunehmen vermag, die Persönlichkeit wird etwas ganz anderes werden in zukünftigen Zeiten. Gewissermaßen durch das, wodurch er abgewichen ist vom Geistigen, was ihm von dem Leibe aufgedrückt wird, war der Mensch früher eine Persönlichkeit. Durch ihr Blut, durch ihr Temperament, durch mancherlei, was von unten kam, waren in der Vergangenheit die Menschen eben Persönlichkeiten, und in diese Persönlichkeiten strahlten unpersönliche Elemente aus dem Übersinnlichen hinein. Durch Temperament, durch Blut und so weiter wird man immer weniger und weniger Persönlichkeit sein können in der Zukunft. Aber man wird es sein können durch seine Teilnahme an der übersinnlichen Welt. Die Alexanders, Cäsars, Napoleons gehören der Vergangenheit an. In sie floß gewiß das übersinnliche Element hinein, doch die hohe persönliche Färbung haben sie durch das, was sie erhalten haben von unten herauf. Die Menschen, die Persönlichkeiten sind durch die Art, wie sie die geistige Welt in die sinnliche hineintragen, die Menschen, die von der Seele aus Persönlichkeit in die Menschheit tragen, das werden die Persönlichkeiten sein, welche die Alexanders, Cäsars, Napoleons ablösen werden. [2]

Im Wachzustande, da ist die Sache so, daß uns im jetzigen Zeitenzyklus unser physischer Leib und unser Ätherleib gewissermaßen, man könnte sagen, widerrechtlich unser Geist-Seelenwesen absorbieren; sie durchtränken sich mit diesem Geist-Seelenwesen. Normal wäre es für den Menschen so, daß der Mensch im Wachzustande sich als Ich und astralischer Leib erfühlt und den physischen Leib und den Ätherleib wie eine Art Schale fühlt, in die er hineinschlüpft, wie etwas, das er mit sich trägt. Aber so fühlt sich eben der Mensch nicht. Er fühlt sich so, wie wenn der physische Leib und der Ätherleib er wären. Und dieses rührt davon her, daß im gegenwärtigen Zeitenzyklus die ahrimanischen Mächte mächtiger sind, als sie es in der Normalentwickelung der Menschheit sein würden. Widerrechtlich eignet sich der physische Leib das Bewußtsein an, so daß er so erscheint, als ob unser physischer Leib unsere Persönlichkeit bewirkte. [3]

Zitate:

[1]  GA 35, Seite 58   (Ausgabe 1965, 484 Seiten)
[2]  GA 152, Seite 61f   (Ausgabe 1980, 176 Seiten)
[3]  GA 184, Seite 34f   (Ausgabe 1968, 334 Seiten)

Quellen:

GA 35:  Philosophie und Anthroposophie (1904-1923)
GA 152:  Vorstufen zum Mysterium von Golgatha (1913/1914)
GA 184:  Die Polarität von Dauer und Entwickelung im Menschenleben. Die kosmische Vorgeschichte der Menschheit (1918)