Nostradamus

Wenn wir Nostradamus verfolgen, so ist es interessant, seine Lebensverhältnisse ins Auge zu fassen. Er war ein Mensch, der solche hellseherischen Kräfte besaß, die auf Anlage beruhen, so daß sie bei der ganzen Familie sich fanden. Bei ihm aber kamen sie in besonderer Weise herauf dadurch, daß er ein hingebungsvoller, wunderbarer Arzt war. Großartiges hat er besonders bei einer Pestepidemie in der Provence geleistet. Aber es kam auf, daß man sagte, er sei ein geheimer Calvinist. Aber das schadete ihm so, daß er nicht anders konnte, als seine ärztliche Praxis aufzugeben. Wenn nun der Mensch solche Kräfte entwickelt in seinem Beruf, so segensreich entfaltet wie dieser als Arzt, so müssen solche Kräfte, die da frei werden, anderweilig sich kundtun. Und sie wandelten sich alle in hellseherische Kräfte um, weil er ein gewisses ursprüngliches Hellsehen hatte, wie es auch Paracelsus hatte. Es schildert uns gerade Nostradamus recht schön, wie er dazu kam, zukünftige Ereignisse vorauszusehen. Er hatte ein Laboratorium, es war ein Raum, neben seiner Wohnung, mit einem Glasdach. Von dort betrachtete er den Gang der Gestirne, ließ die Umformung der Sternbilder auf seine Seele wirken. Und da kamen ihm diejenigen Dinge, die er von der Zukunft sagen konnte. Das ergab sich als eine Intuition. Das sprang aus seinem Gemüte heraus. Aber damit ihm solche Dinge kamen, mußte er ganz frei sein von Kummer und Sorgen und Gemütsaufregungen. [1] Dann taucht in der Seele auf, taucht in Nostradamus’ Geist – man sieht es ganz genau geistig – in Bildern dasjenige auf, was er verkündet. Er sieht es wie in Bildern, in Szenen vor sich.– Wer sich in das eigentümliche Seelenleben des Tycho Brahe hineinlebt, der findet, daß es nicht gar so weit entfernt war von dem Seelenleben des Nostradamus. [2] (Siehe auch: Prophetentum; Prophetie).

Zitate:

[1]  GA 143, Seite 32f   (Ausgabe 1970, 248 Seiten)
[2]  GA 61, Seite 88   (Ausgabe 1962, 536 Seiten)

Quellen:

GA 61:  Menschengeschichte im Lichte der Geistesforschung (1911/1912)
GA 143:  Erfahrungen des Übersinnlichen. Die drei Wege der Seele zu Christus. (1912)