Neurasthenie

Wenn Erscheinungen mit dem hysterischen Charakter (siehe: Hysterie) auftreten, dann haben wir es zu tun mit einem Zu-stark-Werden der außermenschlichen Tätigkeit in den unteren Teilen der menschlichen Organisation. Aber es kann dieselbe Unregelmäßigkeit der Wechselwirkung auch eintreten dadurch, daß der obere Prozeß nicht richtig verläuft, daß der so in sich verläuft, daß er die obere Organisation (siehe: Mensch – die Dualität des Menschen) zu stark in Anspruch nimmt. Er ist der entgegengesetzte, gewissermaßen das Negativ der unteren Prozesse, er nimmt die oberen Prozesse zu stark in Anspruch. Er hört gleichsam auf, bevor er sich durch das Herz vermittelt mit der unteren Organisation. Er ist also zu stark geistig, zu stark wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf – organisch intellektuell. Dann tritt der andere Pol dieser Unregelmäßigkeiten auf, die Neurasthenie. Man hat also in der Neurasthenie ein Funktionieren des Oberen, das zu stark die Organe des Oberen in Anspruch nimmt, so daß dasjenige, was eigentlich, vermittelt durch das Herz von oben aus, im Unteren geschehen soll, schon im Oberen geschieht, schon da abgemacht wird, so daß die Tätigkeit nicht hinunterdringt, vermittelt durch die Stauung des Herzens, in die untere Strömung. [1]

Wenn wir schon im gewöhnlichen Leben so stark berührt werden können durch gewisse Erlebnisse, besonders wenn es Gefühlseindrücke waren (zum Beispiel Eindrücke der frühen Kindheit), daß sie (später) eine Gemütsverstimmung bewirken können, so werden wir begreifen, daß die viel stärkeren Eindrücke des Kamalokalebens sich so eindrücken können, daß sie bei einer neuen Inkarnation bis tief in die Organisation des physischen Leibes hineinwirken. Da sehen Sie (also) eine Steigerung einer Erscheinung, die Sie bei aufmerksamer Beobachtung schon im Leben zwischen Geburt und Tod finden können. Solche Vorstellungen, denen mit dem Bewußtsein kein Damm entgegengebracht wird, werden schon zu mehr Unregelmäßigkeiten (als nur Gemütsverstimmung) in der Seele führen können: zu Neurasthenie, zu nervenkrankheitsartigen Erscheinungen, vielleicht auch zu Geisteskrankheiten. [2]

Einer Wirklichkeit gegenüberstehen, die man nicht als eine solche erkennt, heißt zerrüttet sein im Geiste. In eine Zerrüttung hinein würden die Menschen leben, wenn die geistigen Welten vor ihnen auftauchen würden bei der (künftigen) Lockerung des Ätherleibes und sie sie nicht als solche erkennen würden. Heute könnte schon mancher von den geistigen Welten ein Bewußtsein haben, aber er hat es nicht, und so schlagen sie auf ihn selbst zurück, und das zeigt sich in seiner Nervosität, der Neurasthenie, in der pathologischen Krankheitsfurcht (beispielsweise). [3]

Zitate:

[1]  GA 312, Seite 41f   (Ausgabe 1976, 392 Seiten)
[2]  GA 120, Seite 72   (Ausgabe 1975, 230 Seiten)
[3]  GA 102, Seite 135   (Ausgabe 1974, 238 Seiten)

Quellen:

GA 102:  Das Hereinwirken geistiger Wesenheiten in den Menschen (1908)
GA 120:  Die Offenbarungen des Karma (1910)
GA 312:  Geisteswissenschaft und Medizin (1920)