Neid der Menschen

(Es wäre außerordentlich nützlich, wenn man einmal über die Frage meditieren würde: Welches denn die Menschen sind oder waren, die diesen Neid entwickeln oder entwickelten. Wenn man dieses Rätsel auflösen kann, wird man erstaunliche Entdeckungen machen. --- )

Die Unterhaltung drehte sich zunächst naturgemäß um das Naheliegendste, die Katastrophe der vergangenen Nacht.

Polzer fragt: «Wie hat das geschehen können?»

Steiner gibt zur Antwort: «Die Differenziertheit der Seelen ist zu groß. Wohl wollen sie alles sehen und hören und bei allem dabei sein, aber erwachen wollen sie nicht. So müssen sie an den Katastrophen und persönlichen Schmerzen wach werden. Hier waltet nicht Karma, sondern allein das Nicht-Wach-Sein der Mitglieder und der eben bis ins Physische wirkende Neid der Menschen.

Die Möglichkeit war gegeben unter uns, den Raum des Wortes zu haben, aber der Raum des Wortes kann nur sein, wenn er seine Entsprechungen, sein lebendiges Abbild im Herzen, in der Wortgewissenhaftigkeit hat, das heißt, wenn der Mensch nicht allein zuhört, sondern Verantwortung tragen will und kann als ein sich verantwortender Mensch vor dem Wort der Welt. Das war der Sinn des Baues. Wort und Antwort, Logos und Mensch.»

Und dann entrollt der Geistesforscher die historische Tiefenperspektive:

«In Ephesos hatten wir das Inkarnationsgeheimnis des Wortes vor uns. Es mußte zerstört werden, weil sonst die Widersachermächte dort ein bedeutendes Zentrum ihrer Wirksamkeit hätten entfalten können, denn der Neid der Götter war bis in das Atmosphärische hinein wirksam. Hier aber ist es eine Umkehrung. Die Götter schauten erwartungsvoll auf den Raum des Wortes herab, aber die Menschen waren nicht da, die den Bau zu schützen vermochten. Es war eine Möglichkeit gegeben, aber die Antwort der Menschen blieb aus, allein der Neid war nicht stumm.» [1]

Zitate:

[1]  Po2, Seite 226f   (Ausgabe 1994, 0 Seiten)

Quellen:

Po2:  Thomas Meyer: Ludwig Polzer-Hoditz. Ein Europäer (1994)