Mysterien des Geistes

Wenn man die Entwickelung auf Erden verfolgt, findet man, daß in den alten Zeiten, bevor das Christos-Prinzip in die menschliche Seele eingezogen ist, die Mysterien des Geistes die tiefen Lehr- und Kultstätten waren. Je mehr der Christos in die Welt hineinkam, desto mehr entfalteten sich die Mysterien des Sohnes, und in der Zukunft wird man die Mysterien des Vaters pflegen. Diese werden uns in der Apokalypse schon angekündigt. Die Mysterien des Geistes wurden begründet (in der Atlantis). Da wurde die große Pflanzschule der großen Adepten gestiftet, da wurden die Mysterien des Geistes inauguriert, die bis in unsere Zeit sich fortgepflanzt haben. Wer genügend unterrichtet und geläutert war, wurde zugelassen. Bei den Einweihungen in den alten Mysterientempeln, die fortgepflanzt wurden bis in die letzten vorchristlichen Jahrhunderte und die sich uns zeigen, wenn wir hineinschauen in die ägyptischen Pyramiden, wurde der Schüler, der so weit gekommen war (in Selbstlosigkeit), daß er die ganze Menschheit lieben konnte, versenkt in einen dreitägigen Schlaf. Sein physischer Leib war wie tot, in vollständiger Lethargie. Der Einweihende war nun imstande, aus ihm herauszuziehen seinen Geist so, wie jede Nacht im Schlafe Ihr Geist aus dem Leibe herausgezogen ist. So wahr es ist, daß dieser Geist im gewöhnlichen Schlafe bewußtlos ist, so wahr ist es, daß er bei diesen genügend vorbereiteten Schülern bewußt wurde. Nur die störenden Eigenschaften des physischen Leibes waren nicht mehr da. An dasjenige aber, was früher gelernt worden war, konnten sich die Schüler während dieses dreitägigen Schlafes genau erinnern; dies konnten sie in ihren Leib hineinführen. Weil der Einzuweihende gelernt hatte, weil er die entsprechenden Begriffe und Gefühle aufgenommen hatte, konnte der Initiator dasjenige, was jener als Schüler früher erarbeitet und an Empfindungen in sich aufgenommen hatte, ihn jetzt als geistige Wirklichkeit erleben lassen. Es wanderte die Seele, wenn sie während der drei Tage aus dem Leibe war, durch die astralische (siehe: Astralplan) und devachanische Welt (siehe: Devachan). So erfuhr sie real, was sie früher gelernt hatte, und so war dadurch der Mensch ein Wissender geworden. Wenn Sie einen solchen Menschen nun seiner ganzen Wesenheit nach geprüft hätten, so würden Sie gefunden haben, ein solcher Eingeweihter aus den Mysterien des Geistes war eine Vorherverkündigung desjenigen, was in ChristusJesus für die ganze Menschheit da war. Allerdings nur innerlich, im Ätherleib war erwacht bei einem solchen Eingeweihten die Buddhi. So gab es im ganzen Altertum der vorchristlichen Zeit Eingeweihte des Geistes, in denen der Sohn, der Christos, innerlich erwacht war. Nicht bis in den physischen Leib hinein war dieser Christos gedrungen, aber er war erwacht innerhalb des Ätherleibes. Als Äthermenschen waren sie unsterblich geworden, diese Eingeweihten. [1] Derjenige, welcher dreieinhalb Tage im Schlafe lag, wurde umgeben von 12 Menschengestalten, mit denen er zusammen wie um eine Tafel saß. Und als was müssen sie erscheinen einem jeden, der als Eingeweihter die Erlebnisse der höheren Welt erlebt hatte? Vor einem solchen waren 12 seiner Inkarnationen aufgetreten, zwölf seiner verschiedenen Leiber, durch die er selbst durchgegangen war. Diese 12 Leiber waren nichts anderes als das, was er in sich trug als die Glieder seines Leibes. In okkulter Beziehung teilt man den menschlichen Leib in 12 Glieder, und diese sollen nichts anderes sein als die Wiedergabe von 12 Inkarnationen, durch die der Mensch allmählich gereinigt wird und zu einer höheren Stufe der Vollkommenheit hinauf geführt wird. So fühlte sich der Mensch umgeben von den Gestalten, durch die er einst selbst hindurchgegangen ist, und er sagte sich: Die Gestalt, die du früher getragen hast, sie lebt in einem deiner Glieder; in einem andern lebt die zweite Gestalt, in einem andern die dritte, und so weiter. So umgeben sie dich, wie bei einer Mahlzeit die Gäste den Gastgeber. Das war ein Bild, das vor eines jeden Seele in den Mysterien des Geistes zu sehen war. Derjenige, der den Abschluß machte, das war der Menschensohn, der nicht mehr der Sohn einer Familie, eines Stammes, eines Volkes ist, sondern der Sohn der ganzen Menschheit. Die höchste Vollkommenheit unter den Zwölfen hatte eigentlich der Dreizehnte. Und weil er außerhalb seines irdischen Selbstes war, sah er sich als den Dreizehnten.96.290

Zitate:

[1]  GA 96, Seite 287ff   (Ausgabe 1974, 350 Seiten)

Quellen:

GA 96:  Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft. Christliche Esoterik im Lichte neuer Geist-Erkenntnis (1906/1907)